Die Sommersonne taucht die Region rund um den Wilden Kaiser in ein warmes Licht, Wanderer schnüren ihre Bergschuhe, das Abenteuer ruft. Doch nicht jeder, der sich in die Berge wagt, ist sich auch bewusst, welche Herausforderungen dort oben warten. Christian Treichl, Ortsstellenleiter der Bergrettung Scheffau-Söllandl kennt diese Realität nur zu gut. Sein Sommer ist nicht nur geprägt von spektakulären Ausblicken und Gipfelerlebnissen – sondern auch von Einsätzen, die manchmal zum Schmunzeln, oft aber auch zum Kopfschütteln und nicht nur Wanderer sondern auch Bergretter selbst in Gefahr bringen.
Wer jetzt an die TV-Serie „Die Bergretter“ denkt – ja, manchmal geht es wirklich dramatisch zu. Aber nein, Christian hat keine Drehbuchzeilen oder Helikopter-Flirts. Dafür aber jede Menge echte Einsätze, viel Herzblut und die felsenfeste Überzeugung, dass eine gute Tourenplanung das beste Skript für eine Wanderung, und Sicherheit in den Bergen kein Fernsehklischee, sondern echte Verantwortung ist.
Wenn der Notruf eingeht
„Manchmal wissen wir schon beim ersten Funkspruch, dass es brenzlig wird“, erzählt Christian. „Und manchmal wissen wir: Das wird eine Geschichte für den Stammtisch.“ – Eine seiner Lieblingsanekdoten? Die Rettung zweier E-Biker, die mit ihren Bikes am Hartkaiser zu weit abgefahren und in einer Sackgasse gelandet sind – bis Akku und Kraft den Geist aufgaben und sie die 100 Höhenmeter bergauf nicht mehr bewältigen konnten. „Das war dann eine Bergung zu Fuß – für uns und für sie ...“
Viele unterschätzen die Herausforderungen der Berge. „Nur weil jemand in der Stadt eine halbe Stunde joggen kann, heißt das nicht, dass er auch eine anspruchsvolle Bergtour bewältigt“, betont Christian. Höhenunterschiede, unebenes Terrain und steile Anstiege fordern den Körper ganz anders als der Asphaltweg im Park und auch die Hitze ist oft Auslöser für Unfälle.
Seine Empfehlung: „Wetter, Können und Kondition sollten richtig eingeschätzt werden. Wenn ein Faktor nicht passt, sollte man einen Plan B haben (z.B. Umdrehen)“.
Zu einer gelungenen Tour gehört also eine sorgfältige Planung. „Ich sehe immer wieder Leute, die um 11:00 Uhr losgehen und dann am Nachmittag in ein Gewitter geraten“, sagt Christian kopfschüttelnd. Sein Tipp: „Eine Bergtour zeitig starten um nicht in die Mittagshitze zu kommen oder schattigere und kürzere Routen wählen, die Route im Vorhinein genau prüfen, den Wetterbericht checken (nicht nur auf der App, sondern auch mit Blick gen Himmel!) und immer auch Zeitreserven und Alternativrouten einplanen.“
Ein weiteres Muss: die richtige Ausrüstung. „Ein Paar gute Bergschuhe sind das A und O. Wer mit Sneakers auf den Berg geht, riskiert nicht nur Blasen, sondern auch ernsthafte Verletzungen.“ Wetterfeste Kleidung, genügend Wasser, Sonnenschutz und ein Erste-Hilfe-Set gehören ebenfalls in den Rucksack. Und: „Bitte auch nicht alles glauben, was im Internet steht, das ist nicht immer objektiv“ (Anmerkung: unser Blog ist es natürlich schon ;-)) „Die besten Infos gibt’s von Einheimischen und in den Tourismus Infos.“
Neben der eigenen Sicherheit liegt Christian auch der respektvolle Umgang mit der Natur am Herzen. „Die Berge sind ja auch Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen.“ Deshalb ist es wichtig, auf markierten Wegen zu bleiben, Müll wieder mit ins Tal zu nehmen und Wildtiere nicht zu stören. Dämmerungszeiten und Nachttouren gilt es zu vermeiden. Laute Musik oder Kopfhörer sind ebenfalls kontraproduktiv.
Ein besonders heikles Thema sind Weidetiere. „Immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen mit Kühen, weil Wanderer ihnen für das perfekte Urlaubsfoto zu nahekommen, sie füttern oder ihre Hunde nicht anleinen“, erklärt er. „Wenn eine 700-Kilo-Kuh auf dich zuläuft, hilft dir auch kein Selfie-Stick mehr.“ Sein Rat: Abstand halten, Weideflächen ruhig durchqueren und auf den Hausverstand hören.
Fazit: Mit Respekt und Vorbereitung sicher durch den Bergsommer
„Wandern und Bergsteigen ist etwas Wunderschönes – wenn man es mit dem nötigen Respekt angeht“, sagt Christian zum Abschied. Wer sich gut vorbereitet und informiert, auf seinen Körper (und sein Gefühl) hört und achtsam mit der Natur umgeht, wird unvergessliche Erlebnisse in den Bergen haben.
Und wenn doch mal etwas schiefgeht? Dann steht Christian mit seinem Team bereit (Hier zur Sicherheit auch nochmal „seine“ Nummer für den Alpinnotruf: 140 oder auch per SOS-EU-Alp App) – auch wenn wir ihn am liebsten „dienstfrei“ antreffen; vielleicht ja am Seilabodenkreuz. „Do bin i gean“, wie er uns zum Abschluss noch verrät.
Faktbox: Was beim Wandern immer mit sollte:
Von A wie „a guade Ausrüstung“
Feste Bergschuhe mit Profil
Wetterfeste Kleidung (Regenjacke, warme Schicht)
Sonnenschutz (Creme, Brille, Kappe)
Genug Wasser & Jause
Karte, Kompass oder GPS
Erste-Hilfe-Set, Stirnlampe
Geladenes Handy mit Notfall-App der Bergrettung Tirol
Bis Z wie a „zahnige Planung“
Tourenziel dem eigenen Können anpassen
Aktuelle Bedingungen checken (z.B. Altschneefelder im Frühjahr!)
Früh starten, um Hitze und Gewitter zu vermeiden
Wetterbericht prüfen (nicht nur digital – auch am Himmel)
Sonnenuntergang und Tageslicht einplanen
Respektvoll unterwegs sein:
🌿 Auf markierten Wegen bleiben & Hinweisschilder und beachten
🐾 Abstand zu Wild- und Weidetieren wahren. Dämmerung und Nachtstunden meiden
🌸 Keine Pflanzen pflücken
🌱 Keine Aufforstungen oder Wiesen betreten
🤫 Rücksicht auf Natur und Mitmenschen nehmen & Lärm vermeiden (keine Drohnenflüge)
🐕 Hunde an die Leine & Gassisackerl verwenden (und im Tal fachgerecht entsorgen)
🗑️ Müll vermeiden bzw. wieder mit ins Tal nehmen. Die Natur ist keine Toilette!
Als freie Texterin und Redakteurin schreibt „dieschreibmenschin“ lieber für andere als über sich selbst. Wer dennoch etwas über sie wissen will: Die 2-fach-Mama bringt die Dinge gern auf den Punkt (weil sie Beistriche nicht mag) und schreibt ihre Texte mit links (weil sie‘s mit rechts nicht kann). Ihre Ideen-Berge sind mindestens so hoch wie der Wilde Kaiser, der ihr täglich vom Bürofenster aus zulächelt. Und wenn Maria nicht gerade in die Tasten haut, haut sie sich gern auf ihre Yogamatte, auf’s Bike, an den See oder in die Berge ...
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