1963 - 2023

60 Jahre Bergrettung Scheffau-Söllandl

von Theresa Aigner Erstellt am 30. November 2023

für Outdoor-Begeisterte für Naturfreund*innen für Wissenshungrige

Nicht nur das Naturschutzgebiet Kaisergebirge feiert 2023 sein 60-jähriges Bestehen, sondern auch die Bergrettung Scheffau-Söllandl. Darüber, aber auch über die hinter uns liegende Wandersaison und den nahenden Winter haben wir mit Christian Treichl, dem Ortsstellenleiter der Bergrettung gesprochen.

© Bergrettung Scheffau Söllandl

Heutzutage kaum vorstellbar, wie Bergrettungs-Einsätze abgelaufen sind, als weder Handy noch Hubschrauber, Digitalfunk oder moderne Ausrüstung – vom Seil bis zum Funktionsgewand – existiert haben. Und dennoch: Ein paar engagierte Bergsteiger haben sich schon damals zusammengefunden und die Bergrettung am Wilden Kaiser ins Leben gerufen. Am 2. November 1963 waren Johann Haselsberger, Horst Haselsberger, Peter Feger, Johann Feger, Georg Salvenmoser und Adolf Aschenwald die Gründungsmitglieder der hiesigen Ortsstelle der Bergrettung.

1.500 Personen in 60 Jahren geborgen

Das Einsatzmaterial wurde in privaten Garagen gelagert, ein Einsatzfahrzeug gab es anfangs genauso wenig wie Funk oder sonstige moderne Kommunikationstechnik. Alarmiert wurde per Festnetz-Telefon, am Berg konnte man nur so lange miteinander kommunizieren, solange man in Rufweite war. Aber auch schon damals, als die Bergretter noch mit Hanfseilen loszogen, war das Wichtigste, selbst wieder unversehrt vom Einsatz zurück zur Familie zu kommen. Dieses Ziel ist bis heute das gleiche geblieben, erklärt Christian Treichl, seit 2021 Ortsstellen-Leiter der Bergrettung Scheffau-Söllandl.

In anderen Bereichen hat sich hingegen sehr viel getan. Die Alarmierung funktioniert heute gleichzeitig mittels SMS und Alarmierungs-App, Seile, Stirnlampen, Gurte, Helme und Co entsprechen den modernsten und sichersten Standards. Auch die Ausbildung der Bergretter und die Notfall-Versorgung hat sich enorm weiterentwickelt. Was sich wiederum nicht verändert hat, in den 60 Jahren ihres Bestehens, ist der Umstand, dass die Bergretter ehrenamtlich im Einsatz sind – wofür man gar nicht dankbar genug sein kann.

Absolvierten die Bergretter „der ersten Stunde“ im Jahr 1964 gerade mal fünf Einsätze, waren es im Jahr 2022 68. Insgesamt wurden von 1963 bis 2023 bei 1.370 Einsätzen über 1.500 Personen von der Ortsstelle Scheffau-Sölllandl geborgen. Die steigende Begeisterung für Bergsport und Outdoor-Aktivitäten in den vergangenen Jahren macht sich natürlich auch am Wilden Kaiser bemerkbar, wenngleich Ortsstellen-Leiter Christian Treichl zu bedenken gibt: „Am Wilden Kaiser war immer schon viel los, insofern sind die Zahlen nicht erst in den letzten Jahren auffallend gestiegen. Das merken wir schon seit 10 Jahren, dass es immer Menschen in die Berge zieht.“ Neben den „klassischen“ Wanderverletzungen (Umknacksen und Co.) und Kreislauf-Problemen, sei es nach wie vor die fehlende oder schlechte Tourenplanung, die zu Einsätzen der Bergrettung führt: „Auffallend ist, dass so oft der ‚Plan B‘ fehlt. Die Leute gehen davon aus, dass ‚eh nix passiert‘.“ Wenn dann aber eben doch mal was passiert, hätten sie weder ein Erste-Hilfe-Set, noch eine Stirnlampe dabei oder den Alpinen Notruf (140) bzw. die SOS EU Alps App am Handy – die man im Idealfall gar nicht braucht, aber eben im Falle des Falles gespeichert haben sollte.

Fehlende Tourenplanung als Einsatzgrund

Nächtlicher Einsatz der Bergrettung

Extremfälle fehlender Tourenplanung sind zum Glück selten – diese Geschichten landen dann aber auch in den Medien. Wie etwa jener Wanderer, der sich im Juli am späten Vormittag – also viel zu spät - aufmachte, um den höchsten Gipfel des Wilden Kaisers, die Ellmauer Halt (2.344 Meter) zu besteigen. Er war allerdings nicht nur zu spät dran, sondern auch noch unzureichend ausgestattet. Der Mann verabsäumte es rechtzeitig umzudrehen (wenn man schon wesentlicher länger als die auf den Schildern angegebene Zeit braucht und das Wetter dreht bzw. die Dunkelheit naht, sollte man schleunigst umkehren!) und auch der Notruf wurde viel zu spät und über drei Ecken abgesetzt. Insofern hatte dieser Mann ein unglaubliches Glück, dass ihn die Bergrettung noch lebend, aber stark unterkühlt in Jeans und T-Shirt abseits des Weges fand. „Das sind natürlich die extremen Beispiele, zeigen aber gut, was unzureichende Vorbereitung und Tourenplanung ausmachen kann“, so Christian Treichl.

Die meisten Einsätze hat die Bergrettung aber ohnehin nicht direkt am Wilden Kaiser, wie Christian ausführt, sondern gegenüber auf der „Schattseite“ – sprich auf den sanfteren Grasbergen, wo im Winter auf den Pisten der SkiWelt Wilder Kaiser – Brixental skigefahren wird. Auch hier sind im Sommer zahlreiche Wanderer unterwegs und damit auch die Bergrettung.

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Wintereinsätze vor allem im Skigebiet

Sondierkette der Bergretter bei einem Einsatz im Winter

Im Winter, der aktuell schon vor der Tür steht, hat die Ortsstelle Scheffau-Söllandl weniger Einsätze, als im Sommer. „Der Wilder Kaiser ist kein klassischer Skitourenberg.“ Aber: Zum Einsatzgebiet der Ortsstelle gehört – genauso wie im Sommer – auch die „Schattseite“, sprich: Das Skigebiet. Und während unter Tags hauptberufliche Pistenretter in der SkiWelt unterwegs sind und im Notfall zum Einsatz kommen, ist es nach Betriebsschluss die Bergrettung, die ausrücken muss. „Da gibt es eine zentrale Einsatz-Ursache, wir nennen es die ‚Blaue 80 Vergiftung‘“, so Christian. Was er mit leichtem Augenzwinkern kommentiert, müsste aber eigentlich nicht sein: Hier ist die Rede von jenen, die auf der Hütte ein Getränk zu viel erwischt haben und sich dann am Weg ins Tal verletzen und von der Bergrettung geholt werden müssen, eben oft auf der blauen Piste Nummer 80…

Ob „Blaue 80 Vergiftung“, Kreislaufproblem oder Bänderriss: Jede und jeder, der am Berg schon einmal in Not geraten ist, weiß, wie unendlich dankbar man ist, wenn die Bergrettung kommt und dafür sorgt, dass man medizinisch versorgt und ins Tal gebracht wird. Das haben die Scheffauer Bergretter kürzlich übrigens auch „schwarz auf weiß“ bekommen: Sie wurden bei der Aktion „Herzensmenschen“ der Kronen Zeitung – dabei werden die „stillen Helden“ eines Bundeslandes geehrt - nominiert und haben glatt den zweiten Platz gemacht! Dazu gratulieren wir ganz herzlich. Und wer selbst gerne ein Zeichen der Wertschätzung und Dankbar setzen möchte, dem bzw. der sei folgendes geraten: Am besten gleich eine Fördermitgliedschaft bei der Bergrettung Tirol abschließen. Damit wird nicht nur diese lebenswichtige, ehrenamtliche Tätigkeit unterstützt – sie ist gleichzeitig auch eine Bergekostenversicherung, die einem selbst im Notfall zu Gute kommt.

© Theresa Aigner

Was sich Christian Treichl für die nächsten 60 Jahre für die Bergrettung am Wilden Kaiser wünscht? „Am wichtigsten ist uns natürlich, dass die Einsätze unfallfrei verlaufen, dass die Mannschaft motiviert bleibt und wir immer wieder gesund zu unseren Familien zurück nach Hause kommen.“

Theresa Aigner

Als gelernte Journalistin freut sich die nunmehrige Presse-Verantwortliche der Region Wilder Kaiser immer, wenn sie einen Beitrag für unseren Blog gestalten darf. Egal ob Bergsport, Kulinarik, Politik oder Kultur – diese Frau hat zu jedem Thema tausend Fragen und stellt sie schon mal in einer Geschwindigkeit, dass ihren Gesprächspartner*innen hören und sehen vergeht. Nur gut, dass Theresa die vielen Gespräche mit interessanten Menschen aus der Region am liebsten schriftlich dokumentiert – und hier genug Platz zum Teilen hat.

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