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Gemeinsam unterwegs

Die Wegewarte des Wilden Kaisers

von Theresa Aigner Erstellt am 18. Juli 2023

für Outdoor-Begeisterte für Naturfreund*innen für Wissenshungrige

Wer sorgt eigentlich dafür, dass am Wilden Kaiser hunderte Kilometer mehrfach ausgezeichnete Wanderwege mit der dazugehörigen Beschilderung und Markierung zur Verfügung stehen? Es sind des "Kaisers Wegewarte", deren Arbeit gar nicht genug wertgeschätzt werden kann. Ein Portrait über die "Berg-Helden" im Hintergrund...

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Herbert Heuberger, Bascht Niedermühlbichler, Alois Höflinger und Franz Embacher (v.l.n.r)

Wenn man sich mit diesen vier Herren zu einer kleinen Tour am Wilden Kaiser verabredet, begibt man sich nicht nur mit 286 Jahren geballter Erfahrung, sondern auch mit ebenso vielen Jahren geballtem Charme, auf den Weg. Und damit wären wir schon beim Grund, warum wir mit Bascht Niedermühlbichler und drei seiner Kollegen, die der 75-Jährige gerne als „junge Rentner“ bezeichnet, unterwegs waren.

Sie sind allesamt Wegewarte am Wilden Kaiser und das heißt: Ihnen und ihren Kollegen haben wir es zu verdanken, dass uns nicht nur rund 350 Kilometer hervorragend gepflegte, sondern vor allem auch sichere Wanderwege und Steige am und rund um den Wilden Kaiser zur Verfügung stehen. Und das machen sie extrem gut: Nicht umsonst ist die Region Wilder Kaiser die einzige Österreichs, die gleich mit drei Gütesiegeln ausgezeichnet ist. Dem Tiroler Bergwege-Gütesiegel, dem Österreichischen Wandergütesigel und dem Europäischen Wandergütesiegel.

Der Qualität ihrer Arbeit sind sich Franz Embacher (83) aus Söll, Herbert Heuberger (62) aus St. Johann, Alois Höflinger (66) aus Scheffau und Bascht Niedermühlbichler (75) aus Going durchaus bewusst: „Wir kommen ja auch viel herum, aber so toll wie die Wege bei uns beinand‘ sind, das sieht man sonst nirgends“, sagt Lois aus Scheffau. Dabei hört man schon heraus, dass sie ihre „Arbeit“ nie los lässt, auch nicht, wenn sie „außer Dienst“ unterwegs sind. „Wir gehen privat unsere Wege und schauen, was zu tun ist“, erklärt Herbert. Kleinere Werkzeuge haben sie sowieso immer dabei um einfache Arbeiten sofort erledigen zu können, größere Vorhaben werden vorher mit Bascht und den anderen abgesprochen, damit alle wissen was bereits erledigt wurde und was noch offen ist.

Vom „Ostoanan“ bis zur Stahlseil-Montage

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Die Tätigkeiten, die ihnen dabei ins Auge stechen, reichen vom „Ostoanan“ (Steine, die sich in Bewegung setzen und gefährlich werden können, wegräumen) über das Erneuern und montieren von Seilversicherungen, das Pflegen und Befestigen von Wegen, Bäume und Sträucher schneiden bis hin zu Arbeiten mit Hubschrauber-Unterstützung und schwerem Gerät. Und natürlich ganz zentral: Die Montage und Wartung der gelben Schilder, die uns allen am Berg den Weg weisen. Und das sind am Wilden Kaiser viele - rund 1.000 gelbe Richtungsschilder und dazu noch 582 weiße Standorttafeln, die Auskunft darüber geben, wo man sich gerade befindet.

Ob die Wanderer und Bergsteigerinnen überhaupt wissen, wem sie es zu verdanken haben, dass Wege sicher und Gipfel erreichbar sind? „Die, die uns begegnen wissen es schon, die anderen nicht“, sagen die vier Herren. Wenn die Leute ihre Arbeit allerdings live mitbekommen, wäre die Überraschung und Begeisterung enorm – auch wenn „sie leider nie einen Schnaps dabei haben“, wie der 83-jährige Franz mit einem lausbübischen Lächeln scherzt.

Das brauchts aber gar nicht unbedingt, wie folgendes Erlebnis von Bascht zeigt: „Einmal, als wir gerade beim Arbeiten waren, kamen Wanderer vorbei und haben gefragt, was wir da tun. Als wir es ihnen erklärt haben, sagten sie: ‚So, packts zam, wir gehen jetzt runter zur Gaudeamushütte!‘ Dort haben sie dann jedem von uns ein Bier und eine Jause gezahlt!“ Das ist natürlich nicht die Regel, aber eine nette Anekdote (und guter Verhaltens-Tipp für alle, die die rüstigen Herren auch einmal bei der Arbeit antreffen!)

Mehr Menschen, mehr Einsätze

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Herbert Heuberger (62) aus St. Johann

Ob sich am Berg, auf den Wegen etwas verändert hat in den vergangenen Jahren bzw. Jahrzehnten, in ihren Augen? „Es sind schon viel mehr Leute unterwegs, leider sind sie oft nicht richtig ausgerüstet“, sagt Herbert, der auch bei der Bergrettung in St. Johann aktiv ist. „Vor allem die Weitwanderwege, wie etwa der Adlerweg, sind sehr beliebt – da sind die Einsätze natürlich auch mehr geworden.“ Was sie wiederum erfreut beobachten ist der Umstand, dass der Müll am Berg – jedenfalls weiter oben – wieder weniger wird. Das Bewusstsein dafür, seinen Müll wieder mit hinunter zu nehmen, dürfte im Steigen sein.

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Franz Embacher (83) aus Söll

„Wir finden das super, dass es Aufräum-Aktionen mit den Volksschulkindern gibt, dann lernen die das gleich von Anfang an.“ Aber auch die „eigenen“ Leute werden nicht aus der Verantwortung entlassen: „Gerade bei Bergmessen wie der Pölvenmesse oder nach dem Feuerbrennen hats ja leider schon oft ausgeschaut – heuer hab ich keinen einzigen Zigarettenstummel oder sonst was gesehen, das hat mich sehr gefreut“, erzählt Franz Embacher, der 1959 Gründungsmitglied der Söller Bergwacht war – und somit schon einiges am Berg gesehen hat.

Mehrfach-Anstrengung im Sommer

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Bascht Niedermühlbichler (75) aus Going

Wer die Wegewarte einmal treffen (und auf der Hütte einladen) will – im Sommer stehen die Chancen sehr gut, denn wer jetzt denkt, mit einmal herrichten vor der Wandersaison ist die Arbeit erledigt, irrt gewaltig: Hier gibt es immer etwas zu tun, die Wege werden nicht einmal gewartet, sondern es wird den ganzen Sommer laufend daran gearbeitet – insbesondere, wenn dann auch noch starker Regen, große Trockenheit oder sonstige Wetterextreme auftauchen. Und die werden immer häufiger, wie die vergangenen Jahre zeigen – aber auch das kann die vier nicht erschrecken oder gar von ihrer Arbeit abhalten. „Das ist schon beängstigend, was da kürzlich am Fluchthorn passiert ist (Anm.: Enormer Bergsturz im Silvrettagebiet im Juni 2023). Der Geologe hat das eh gut erklärt, dass der Kleber, der die Berge zusammen hält auftaut. Aber es hat schon immer zu unserer Arbeit gehört, dass da Steine vom Berg runterkommen. Die, die herunten liegen, sind ja auch nicht herunten gewachsen!“, kommentieren sie diese Gefahr mit einem Augenzwinkern. „Viele Touren, die wir früher gemacht haben, gehen ja heute gar nicht mehr“, fügen sie etwa mit Verweis auf den Bergsturz von 2017 am Piz Cengalo in der Schweiz hinzu.

„Passen auf und helfen zusammen“

Die objektiven Gefahren am Berg – und dazu gehört natürlich auch Steinschlag - zu beachten und einzuschätzen, hat aber ohnehin oberste Priorität bei ihrer Arbeit. Eine spezielle Ausbildung haben sie nicht, auch wenn vom Alpenverein Kurse angeboten würden – „aber jeder Weg hat andere Bedürfnisse, wir kennen unseren Berg einfach sehr gut und wissen, was wir machen und was nicht.“ Wenn etwa ein Baum nicht selbst geschnitten werden kann, weil es zu gefährlich ist, holen sie einen Profi, der das übernehmen kann. „Wir haben kaum mit Verletzungen zu tun, weil wir gut aufpassen, zusammen helfen und uns gegenseitig sichern, wenn nötig.“ Und ihre Jahrzehnte lange Erfahrung sowohl als Bergsteiger, als auch als Handwerker, kann ihnen auch keiner nehmen.

Zeit, Kondition und Idealismus

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Alois Höflinger (66) aus Scheffau

Damit wären wir auch schon beim nächsten Punkt: Den Qualitäten und Fähigkeiten, die man mitbringen muss, wenn man sich selbst den Wegewarten anschließen möchte. „Du brauchst auf jeden Fall einmal Zeit. Deshalb sind ja auch so viele ‚junge Rentner‘ bei uns dabei, weil die haben die Zeit. Man muss eine gute Kondi haben, trittsicher und handwerklich begabt sein und einen schweren Rucksack schleppen können.“ Dazu braucht man auf jeden Fall noch Verständnis für den Berg, man muss gerne wandern und eine ordentliche Portion Idealismus muss man auch mitbringen, denn wer denkt es handle sich hier um reguläre Jobs, irrt gewaltig: Bascht und seine Kollegen kümmern sich ehrenamtlich um unsere Wege! „Wir waren einmal in einer TV-Sendung mit dem Peter Habeler, da haben sich danach viele gemeldet, die bei uns mitarbeiten wollten – als wir ihnen dann gesagt haben, dass das kein regulärer Job mit Gehalt ist, sind nicht mehr so viele Interessenten über geblieben…“

Wer die nötigen Fähigkeiten und genug Zeit mitbringt, soll sich aber auf jeden Fall bei Bascht melden, denn Nachwuchs ist bei den Wegewarten immer gefragt. Und obwohl wir an diesem Tag mit einer reinen Männer-Clique unterwegs waren, auch Frauen sind natürlich herzlich willkommen. Aktuell haben die Herren eine Wegewartin in ihren Reihen, sie ist zufällig auch die Lebensgefährtin von Bascht, so können sie ihren „Dienst“ am Berg gemeinsam versehen. Und die anderen anwesenden Herren finden ausschließlich lobende Worte für sie: „Also die ist wirklich sehr gut beinand!“

Wer kritisiert, muss mitarbeiten

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Eine andere Möglichkeit dazu geholt zu werden, gibt’s aber noch, wie die folgende Anekdote aus den Anfangszeiten der Wegewarte zeigt. „Angefangen habe ich alleine“, erzählt Bascht, der quasi Gründungsvater der ARGE Wanderwege ist. „Dann hats aber einen gegeben, der ständig alle Wege kritisiert hat – da hat er gleich mitarbeiten dürfen!“, erzählt Bascht eine weitere Geschichte, die einen zum Schmunzeln bringt. Aber, es waren dann zum Glück doch noch ein paar mehr als Bascht und der „Kritisierer“, wie dieser Herr fortan in unserem Gespräch liebevoll genannt wurde…

Wie es überhaupt begann, mit der ARGE Wanderwege am Wilden Kaiser? Für Bascht ging es los, als jener TVB-Mitarbeiter aus Going in Pension ging, der sich bisher um die Wege gekümmert hatte. Hier war eine Leerstelle entstanden, die kurzerhand vom Goinger Dorfwirt und Bascht gefüllt wurde. Und so waren sie im Sommer 2006 das erste mal als Wegewarte unterwegs – das AMS hatte ihnen außerdem noch drei Langzeitarbeitslose vermittelt, die sie bei ihrer Tätigkeit (die sie damals neben ihren Jobs absolviert haben) unterstützt haben. „Am Anfang konnten wir die gerade mal bis zur Waldgrenze mitnehmen, weil die einfach keine Bergsteiger waren. Aber bis zum Herbst, waren die dann auch ganz oben! Die haben wir bergfit gemacht“, freut sich Bascht über die Entwicklung, die sie damals begleiten durften. „Genaugenommen haben wir sie nicht nur ‚bergfit‘, sondern auch ‚jobfit‘ gemacht – denn nach dem zweiten Jahr mit uns, hatten alle drei einen Job. Aber wir drei Helfer weniger.“

„Ist mir bis heute picken geblieben…“

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Nachdem Bascht wusste, dass es damals im Zillertal bereits seit 10 Jahren eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Wanderwege gab, hat er ihren Vorsitzenden kurzerhand zu einem Vortrag nach Going eingeladen, zu dem dann mehr als 50 Leute aus dem Söllleuken- und Brixental gekommen waren. „Da waren natürlich alle total begeistert, aber trotzdem blieb die Frage: Wer macht das jetzt? Da habe ich gesagt, ich gründe das einmal und dann schauen wir, was rauskommt. Und so ist es mir bis heute picken geblieben“, erzählt Bascht. Und obwohl er jedes Jahr aufs Neue ankündigt sich bald zurückzuziehen, wie seine Kollegen grinsend verraten, so ganz glauben wollen und können wir das nicht…

Vielleicht motiviert ihn ja folgender Umstand noch das eine oder andere Jährchen anzuhängen: Die Region Wilder Kaiser wurde nach 2018 auch 2023 erneut mit dem Tiroler Bergwege Gütesiegel ausgezeichnet! Und das ist einmal mehr der ARGE Wanderwege, die inzwischen zum Glück aus mehr als 20 Mitgliedern von St. Johann bis Söll besteht, sowie den Mitarbeitern der Bauhöfe, der Alpenvereinssektionen und weiteren Freiwilligen und engagierten Menschen zu verdanken. In diesem Sinne möchte der Tourismusverband Wilder Kaiser die Gelegenheit nutzen um ihnen allen einmal mehr DANKE zu sagen – für die unermüdliche und unersetzliche Arbeit, die gar nicht genug wertgeschätzt werden kann.

Theresa Aigner

Als gelernte Journalistin freut sich die nunmehrige Presse-Verantwortliche der Region Wilder Kaiser immer, wenn sie einen Beitrag für unseren Blog gestalten darf. Egal ob Bergsport, Kulinarik, Politik oder Kultur – diese Frau hat zu jedem Thema tausend Fragen und stellt sie schon mal in einer Geschwindigkeit, dass ihren Gesprächspartner*innen hören und sehen vergeht. Nur gut, dass Theresa die vielen Gespräche mit interessanten Menschen aus der Region am liebsten schriftlich dokumentiert – und hier genug Platz zum Teilen hat.

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6 Kommentar(e)

Bartl Niedermühlbichler

18.07.2023 - 17:04 Uhr

Danke Theresa für diesen gelungenen Beitrag, ich hoffe er bringt auch einiges an (Jungen ) Nachwuchs in unser Pflichtbewustes ARGE Team

Alois Höflinger

19.07.2023 - 12:09 Uhr

Auch ich spreche dir ein großes Lob aus für deinen tollen Bericht. Mach weiter so, wie du unterwegs bist. Natürlich Carmen Huter muss ich auch gratulieren zu den super Aufnahmen, die sie gemacht hat.

Theresa Aigner

19.07.2023 - 14:50 Uhr

Danke ihr Zwei, das freut mich wirklich sehr!!! Es war mir eine große Freude mit euch unterwegs zu sein und ich sag einmal mehr DANKE für eure unglaubliche Arbeit.

Silvana Beer

21.07.2023 - 11:49 Uhr

Als Wanderführerin und auch privat schätze ich die super Arbeit von euch sehr - vielen Dank!

Christopher Limberger

21.07.2023 - 12:25 Uhr

Super Sache! Tolles Engangement! Vielen Dank hierfür!

Sebastian Schmid

07.08.2023 - 23:01 Uhr

Tolle Sache. Große Hochachtung vor eurer wertvollen Arbeit und dem unermüdlichen Engagement und vielen Dank dafür!

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