Einatmen. Ausatmen. Die Augen schließen und das Rauschen der Blätter hören. Waldbaden bedeutet, ganz im Moment zu sein – und sich von der Atmosphäre des Waldes tragen zu lassen.
Seit 2019 begleitet Sabrina Menschen dabei, in diese besondere Form der Achtsamkeit einzutauchen. Ausgebildet wurde sie am Institut für Waldbaden in Osterwitz (Steiermark) bei Ulli Felber – einer Pionierin auf diesem Gebiet, deren Methode auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen basiert. Felbers Zugang stammt ursprünglich aus der Burnout-Prävention – und genau darin liegt auch die Stärke des Waldbadens: im Loslassen, Entschleunigen und wieder Spüren.
Sabrina Brandauer arbeitet seit 2017 beim Tourismusverband Wilder Kaiser – zunächst nur in der Kinder- und Familienbetreuung, heute in der Tourismus Info in Scheffau.
Als naturverbundene Wanderführerin stieß sie 2019 auf das Thema Waldbaden – und war sofort begeistert: „Ich habe ein bisschen recherchiert, eine passende Ausbildung gefunden – und mich einfach angemeldet“, erzählt sie mit einem Lächeln.
Mein ganz persönlicher Kraftort: Eine Linde beim Hintersteiner See. Das ist mein Ruhebaum.
Was genau ist Waldbaden?
Die Augen schließen, den Waldboden unter den Füßen spüren, den Geruch von feuchtem Moos einatmen – das ist Waldbaden. Was in Japan als Shinrin Yoku bekannt ist, wurde dort schon in den 1980er-Jahren als Teil der Gesundheitsvorsorge etabliert. Dabei geht es nicht um Bewegung oder Leistung, sondern um ein achtsames Hineinspüren in die besondere Stimmung des Waldes – mit allen Sinnen. „Wir machen Übungen, die das Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken ansprechen“, erklärt Sabrina. Gleichzeitig werde dabei die kindliche Neugier geweckt – ohne Bewertung, einfach im Moment sein, das stehe im Mittelpunkt.
Der Wald als Therapiepartner
Eine wichtige Rolle spielt beim Waldbaden auch die Atmung – in Kombination mit Erdung, Stille und sanften Bewegungen. „Ich nutze auch Elemente aus dem Yoga. Die richtige Atmung aktiviert den Vagusnerv, senkt Blutdruck und reduziert Stress.“
Anfangs seien manche Teilnehmer*innen noch unsicher oder hätten Vorurteile. „Muss ich da jetzt Bäume umarmen?“ sei eine häufige Frage. Doch die Rückmeldungen seien durchwegs positiv – gerade Männer seien im Nachhinein oft besonders überrascht, wie gut ihnen die Erfahrung getan hat.
Mehr als ein Spaziergang
„Es geht nicht darum, wie weit man geht, sondern wie man geht“, sagt Sabrina. Langsam, achtsam, mit offenem Blick und offenem Herzen. Übungen wie Barfußgehen, Augenmasken oder Partnerübungen – etwa sich gegenseitig durch den Wald führen – fördern die Selbstwahrnehmung.
„Ich spüre schnell, wie weit ich mit einer Gruppe gehen kann. Jede Einheit ist anders, jede Gruppe bringt etwas Eigenes mit“, so Sabrina.
Für alle, die zur Ruhe kommen möchten – ob gestresste Berufstätige, Familien oder Menschen in belastenden Lebensphasen. „Kinder haben oft einen spielerischeren Zugang und nehmen intuitiv viel wahr. Erwachsene profitieren meist tiefer, wenn sie sich bewusst darauf einlassen“, so die Waldbaden-Trainerin. Auch bei psychosomatischen Beschwerden kann Waldbaden unterstützend wirken.
Ein Spaziergang, der wirkt
Auch auf körperlicher Ebene zeigt der Wald Wirkung. „Die sogenannten Terpene – Hauptbestandteile vieler ätherischer Öle – sind für den typischen Waldduft verantwortlich und stärken das Immunsystem. In Kopfhöhe ist ihre Konzentration besonders hoch.“
Auch die Jahreszeiten beeinflussen unsere Wahrnehmung: Der Herbst lädt zur inneren Einkehr ein, der Frühling bringt neue Energie. Der Wald unterstützt den natürlichen Rhythmus – sanft, aber spürbar.
Berührende Erlebnisse
Bei ihren Waldbaden-Wanderungen begegnet Sabrina vielen bewegenden Geschichten. Ein Teilnehmer etwa konnte ursprünglich aufgrund von Empfindungsstörungen kaum zehn Sekunden barfuß gehen – doch kaum hatte er Waldboden unter den Füßen, war das Taubheitsgefühl verschwunden. Oder ein Junge mit Beeinträchtigung, der besonders intensiv auf eine bestimmte Baumart reagierte. „Diese Verbindung von Mensch und Natur berührt mich jedes Mal aufs Neue“, so Sabrina.
Waldbaden ist mehr als ein Trend – es ist ein Rückweg zum Ursprünglichen, zur Stille in uns selbst. Wer sich darauf einlässt, nimmt nicht nur Entspannung mit nach Hause, sondern oft auch ein neues Bewusstsein für die Natur – und für sich selbst.
Gebürtig aus Going und heute Presseverantwortliche beim Tourismusverband Wilder Kaiser, hat sie Journalistik, Spanisch und Portugiesisch studiert – geblieben ist sie trotzdem in ihrer Heimat, wo sie zwischen Bergen, Seen und Geschichten genau das findet, was sie wirklich begeistert. Mit einem feinen Gespür für besondere Menschen und Momente entdeckt sie immer wieder neue Facetten der Region – und erzählt sie am liebsten in Worten, die hängen bleiben.
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