© Christina Heuberger
Ein Erlebnisbericht vom Naturschutzhof Artenreich in Going

Vom Schaf zum Pullover

von Christina Heuberger Erstellt am 24. Oktober 2025

für Naturfreund*innen für Selbermacher*innen

Wenn man an Handwerk denkt, hat man selten den Geruch von Schafwolle in der Nase oder nasse Hände voller Seifenlauge vor Augen. Und doch war genau das der Beginn eines besonderen Nachmittags, den ich im Rahmen eines After Work-Events am Naturschutzhof Artenreich erleben durfte. Der Workshop trug den vielsagenden Titel „Vom Schaf zum Pullover“ – wobei in meinem Fall eher ein „Vom Schaf zum Sitzkissen“ daraus wurde. Gemeinsam mit acht Journalist*innen und Blogger*innen schritt ich also zur Tat.

© Christina Heuberger

Schon beim Ankommen wird uns klar: Hier geht’s um mehr als nur Basteln. Inmitten von herbstlicher Natur, alten Apfelbäumen und grasenden Schafen wurde uns zuerst erklärt, wie viel Arbeit und Liebe in einem Wollprodukt steckt. Von der Schur über das Waschen, Kardieren bis hin zum Filzen – der Weg von der Rohwolle zum fertigen Produkt ist lang und überraschend ursprünglich. Insgesamt acht Walliser Schwarznasenschafe zählt die Herde von Maria auf dem Naturschutzhof. Und wie auch in jeder Familie, darf auch ein schwarzes Schaf bei Maria nicht fehlen. „Lauser“ (Lausbub) ist der Chef der Damen und ein Steinwollschaf. Mit dem schlechten Ruf des „schwarzen Schafs“ hat er laut Maria aber so gar nichts am Hut. „Er ist ein ganz lieber und passt gut auf seine Damen auf“, erzählte sie lächelnd.

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Nach einer kurzen Einführung ging es direkt los: Jeder von uns bekam eine Portion flauschiger Wolle, die zunächst mit warmem Wasser und Seife bearbeitet wurde. Klingt einfach – ist es aber nicht. Filzen braucht Geduld, Gefühl und durchaus Kraft. Schicht um Schicht arbeitet man sich voran und das ist gar nicht so einfach. Während meine Hände langsam schrumpelig wurden, nahm mein Projekt Gestalt an: ein Wandersitzkissen, handgemacht, warm, leicht und vor allem – meins.

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Ich war erstaunt, wie schnell man beim Arbeiten mit den Händen abschalten kann. Statt Smartphone und Bildschirm stand plötzlich der Moment im Mittelpunkt – begleitet von Gesprächen, Lachen und dem Duft von Schaf und Seife. Fast schon meditativ gestaltete sich die Arbeit. Erst die Vorderseite, dann umdrehen, um auch die Rückseite des Kissens zu formen, das Einarbeiten der vorher zurechtgedrehten Kordel und schließlich das Auspressen des Wassers. Zum Schluss dann auch noch das Anbringen dekorativer Elemente. Reh-, Schaf- und Herzformen gab es zur Auswahl, in schwarz - denn für die Dekoelemente wurde Wolle von „Lauser“ verwendet. Nachdem ich mein Herz vollends an die Wolllieferanten verloren habe, entscheide ich mich natürlich stilecht für drei Schaf-Figuren: zweimal klein und einmal groß. Nachdem nun auch die ausgewählten Elemente in das Schafkissen eingearbeitet und wieder mit ganzer Körperkraft gefilzt wurde, ging es für die (fast) fertigen Kunstwerke in ein Essigbad. Dieser Schritt entfernt die Seife, die noch im Kissen steckt. Anschließend verpackte Maria die Sitzkissen vorsichtig in mehrere Wäschesäcke, um sie einmal in die Waschmaschine zu stecken. Die Wartezeit konnten wir uns am Hof nochmals im Schafstall verkürzen, wo es für die gesamte Herde nochmals ordentlich Kuschel- und Streicheleinheiten gab.

Was ich mitgenommen habe?

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Natürlich mein selbst gefilztes Sitzkissen, das mich bei der nächsten Wanderung begleiten wird. Aber auch ein neues Bewusstsein dafür, wie wertvoll echte Handarbeit ist. Und wie viel man über eine Region und ihre Geschichte lernen kann, wenn man nicht nur konsumiert, sondern mitgestaltet.
Der Workshop „Vom Schaf zum Pullover“ ist für mich ein perfektes Beispiel dafür, wie Tradition, Nachhaltigkeit und Kreativität miteinander verbunden werden können – und wie erfüllend es ist, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen.

Mein Tipp:

Wer selbst Lust hat, sein eigenes Wollprojekt umzusetzen – der Naturschutzhof Artenreich bietet regelmäßig Workshops an. Exklusiv auch in unserem HERBSTplus Programm.

Christina Heuberger

Gebürtig aus Going und heute Presseverantwortliche beim Tourismusverband Wilder Kaiser, hat sie Journalistik, Spanisch und Portugiesisch studiert – geblieben ist sie trotzdem in ihrer Heimat, wo sie zwischen Bergen, Seen und Geschichten genau das findet, was sie wirklich begeistert. Mit einem feinen Gespür für besondere Menschen und Momente entdeckt sie immer wieder neue Facetten der Region – und erzählt sie am liebsten in Worten, die hängen bleiben.

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