© Mathäus Gartner
Die Wunden des Waldes

Die nackte Wahrheit über das Waldsterben am Wilden Kaiser

von Maria Sevignani Erstellt am 16. Juli 2025

für Naturfreund*innen

Wer nach dem Hagelunwetter vom 9. Juni 2024 durch den Wald vom Eiberg über den Hintersteiner See bis hin zur Gemeindegrenzen zwischen Ellmau und Going gewandert ist, hat ein ungewohntes Bild vorgefunden: Überall abgebrochene Äste und ein Teppich aus Nadeln am Boden. Kahlgeschlagene Baumkronen beim Blick nach oben.

Was damals vom Himmel kam, waren Hagelkörner von bis zu sieben Zentimetern Durchmesser – so groß wie Golfbälle. Sie hinterließen eine Schneise der Verwüstung. Besonders betroffen: die Fichte, ein Baum, der für die Region nicht nur wirtschaftlich, sondern auch als Schutzwald von Bedeutung ist.

Insgesamt wurde fast eine halbe Million Festmeter Holz geschädigt – eine Dimension, die nicht nur ökologisch, sondern auch emotional spürbar ist.

Der Borkenkäfer – klein, aber gefährlich

In diese geschwächte Landschaft tritt nun ein zweiter Stressfaktor: der Buchdrucker – ein Borkenkäfer, der angeschlagene Fichten als ideale Brutstätten nutzt. Er ist winzig. Aber was er anrichtet, ist gigantisch: Und: Er ist kein Einzelgänger. Der Buchdrucker vermehrt sich exponentiell mit bis zu einer Million Nachkommen. Die Käfer bohren sich unter die Rinde, legen dort ihre typischen Gangsysteme an und zerstören dabei das lebenswichtige Bastgewebe des Baumes. Ganze Waldbestände können so innerhalb kurzer Zeit absterben.

Wächter des Waldes

© TVB Wilder Kaiser

Doch es gibt da was, was ihn aufhalten kann: das ausgeklügelte Aufräum- und Wiederaufforstungsprogramm zum Beispiel, dass die Gemeinden rund um den Wilden Kaiser gleich nach dem Unwetter ins Leben gerufen haben. Allen voran Bezirksforstinspektor OR Dipl.-Ing. Markus Wallner, KLAR! Managerin Caroline Felder vom Planungsverband Wilder Kaiser und unsere Waldaufseher. Denn jetzt ist es an der Zeit für uns Menschen, zu handeln. Um dem Käfer Herr zu werden, greifen die Forstleute auch auf ein smartes Frühwarnsystem zurück: Sogenannte Borkenkäferfallen. Diese – mit Pheromon (= Lockstoff) ausgestatteten – Fallen simulieren einen „für den Käfer einladenden“ Baum und werden wöchentlich von den Forstarbeitern geleert. Die eingefangene Menge gibt Auskunft über den Befall. Wird innerhalb von drei Wochen die Menge von 100 Millilitern Käfer (das entspricht rund 10.000 Individuen) überschritten, wird Alarm ausgelöst. Dann heißt es: rasch handeln und befallene Bäume entfernen – bevor sich der Buchdrucker weiter frisst ...

Ein Superheld im Federkleid

Und dann gibt es auch noch den natürlichen Feind des Käfers: Den Specht - er klopft. Er horcht. Er rettet. Der stille Jäger im Wald hört, was unter der Rinde lebt, und pickt mit stoischer Entschlossenheit Käferlarven heraus. Mit feinem Gehör und präzisem Schnabel spürt er Käferlarven unter der Rinde auf – und frisst mehrere Tausend pro Tag. Damit leistet er einen wichtigen Beitrag zum ökologischen Gleichgewicht.

Trotzdem gilt: Ohne unser Zutun schafft es auch der Specht nicht. "Der Wald ist in einem kritischen Zustand. Wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir mehr als nur Bäume", warnt Caro Felder.

© Mathäus Gartner

Warum der Wald so wichtig ist

Der Wald rund um den Wilden Kaiser erfüllt viele Funktionen – er ist weit mehr als eine schöne Kulisse:

  • Er schützt vor Lawinen, Hochwasser und Muren
  • Er filtert Trinkwasser und speichert CO₂
  • Er bietet Lebensraum und Rückzugsort für zahlreiche Tiere und Pflanzen
  • Er ist Erholungsort und Wirtschaftsfaktor zugleich

„Wie es weitergeht, liegt auch in unserer Hand“, brachte es Markus Wallner bei einer Infoveranstaltung Ende April auf den Punkt.

Die Zukunft: Vielfalt statt Einfalt

© Mathäus Gartner

„Die Fichte allein hat keine Zukunft“, sagt Caro Felder von der KLAR! Region Wilder Kaiser. Denn Monokulturen sind besonders anfällig – für Stürme, Trockenheit und eben auch Schädlinge.

Die Lösung: ein klimafitter Mischwald. Tanne, Buche, Bergahorn, Kiefer und Lärche – jede Baumart bringt ihre eigenen Stärken mit. In gezielten Pflanzgruppen kombiniert, schützen und ergänzen sie einander.

So entsteht ein Wald, der robuster ist – und sich besser an den Klimawandel anpassen kann.

Was du tun kannst:

  • Respektiere Sperrgebiete – sie sind unerlässlich für die Aufräum- und Wiederaufforstung und dürfen nicht betreten werden
  • Verhalte dich respektvoll und achte auf deine Schritte
  • Solltest du eine Borkenkäferfalle entdecken: Berühre oder entleere sie keinesfalls
  • Unterstütze Mischwälder: Durch eigene Baumspenden, Mithilfe beim Aufforsten und/oder Aufklärungsarbeit.
© Mathäus Gartner

Gemeinsam für den Wald

Der Wald steht an einem Wendepunkt. Was wir heute tun – oder lassen – beeinflusst seine Zukunft und die der nächsten Generationen. Denn eines ist sicher: Der Wald kann nicht reden. Aber wir können für ihn sprechen. Und handeln.

„Ein klimafitter Wald wächst nicht von allein – aber er wächst. Wenn wir ihn lassen."
Caro Felder, KLAR! Wilder Kaiser
Maria Sevignani

Als freie Texterin und Redakteurin schreibt „dieschreibmenschin“ lieber für andere als über sich selbst. Wer dennoch etwas über sie wissen will: Die 2-fach-Mama bringt die Dinge gern auf den Punkt (weil sie Beistriche nicht mag) und schreibt ihre Texte mit links (weil sie‘s mit rechts nicht kann). Ihre Ideen-Berge sind mindestens so hoch wie der Wilde Kaiser, der ihr täglich vom Bürofenster aus zulächelt. Und wenn Maria nicht gerade in die Tasten haut, haut sie sich gern auf ihre Yogamatte, auf’s Bike, an den See oder in die Berge ...

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