© Claudia Böttcher

... die spucken ja gar nicht!?

von Claudia Böttcher Erstellt am 28. Januar 2016

für Tierliebhaber*innen für Wintermenschen für Familienmenschen

Das eigene Lama am Halfter durch die tief verschneite Winterlandschaft des Wilden Kaisers führen. Nicht nur für Kinder ist die Wanderung mit den exotischen Tieren, die ihre ganz eigene und besondere Ausstrahlung haben, ein beeindruckendes Erlebnis.

Aufmerksam betrachtet Samanta mein Gesicht. Sanft zuckend nähert sich die große, samtige Nase. Neugierig schnuppert das Lama an mir. Dann zieht es den Kopf langsam zurück und betrachtet entspannt die Umgebung. Wie heißt es so schön auf Neudeutsch: abgecheckt. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Samanta mich eben, in diesen ersten Sekunden unserer Begegnung, genau unter die Lupe genommen und dann in eine Kategorie eingeordnet hat. Welche Kategorien dieses Tier für andere Lebewesen hat, weiß ich nicht genau. Aber vermutlich entscheidet es genauso wie wir zwischen sympathisch und unsympathisch, gefährlich und ungefährlich.

Tiere mit Charakter

Um die Stimmung eines Lamas wirklich verstehen zu können, muss man Zeit mit ihnen verbringen und sie genau studieren. Denn anders als ein Hund zeigt ein Lama seine Zuneigung nicht durch begeisterte Annäherungsversuche. Ruth Oberhofer, Lamazüchterin vom Koglhof in Ellmau, kann ihre Tiere lesen wie ein Buch. Und sie gibt viel auf die Meinung der Vierbeiner mit den klugen Augen. „Wenn Menschen auf den Hof kommen und ins Gehege gehen, dann muss ich nur die Lamas beobachten“, erklärt sie. Meist könne sie an deren Reaktion in Sekunden ablesen, was für einen Menschen sie da vor sich habe.

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Und Menschen kommen viele auf den Koglhof. Denn Ruth Oberhofer bietet Besuchern die Möglichkeit an, mit ihren Tieren zum Lamatrekking zu gehen. Dazu muss sich aber erst mal eines der Lamas bereit erklären. Gemächlich vor sich hinkauend liegen sie im Heu ihres Unterstands. Der eintretende Besuch wird aufmerksam beobachtet, auch wenn der leichte Schlafzimmerblick aus den zumeist halb geschlossenen Augen etwas anderes glauben machen will. Erst nach einiger Zeit entscheidet sich das eine oder andere Tier, gemächlich aufzustehen.

Mit Lamas arbeiten

Lamas haben einen ausgeprägten eigenen Willen. Möchte man mit ihnen arbeiten, zum Beispiel beim Lamatrekking oder als Therapietiere für Kinder, muss man sie ausbilden. Das fängt schon bei den Jungtieren an. Doch auch danach kommt es darauf an, wie ernst das Lama seinen Führer nimmt. Unsicherheiten spüren die Tiere sofort. Und sie sind verfressen. Wer später beim Trekking durch den Wald nicht selbstbewusst auftritt, sitzt schnell an einem der herunterhängenden Fichtenzweige fest. Das Lama frisst sich dann erst mal in aller Ruhe satt und kümmert sich nicht die Bohne um den eigentlichen Wanderplan. Bitten und Betteln hilft da nicht viel, ruppige Anweisungen erst recht nicht. Diese werden, im besten Fall, mit einem zutiefst empörten Blick gestraft.

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Was passiert, wenn ein Lama sauer wird kann ich etwas später beobachten. Die Tiere dürfen mit den Kindern von Ruth Oberhofer an einem verschneiten Hang klettern und nach Tannenzweigen suchen. Janine, das Lama von Tochter Alexandra, hat einen besonders schönen Ast für sich auserkoren. Als Samanta, ein Jahr jünger, und damit in der Rangordnung weiter unten stehend, sich dem gleichen Zweig nähert, wird die Ältere ärgerlich. In Sekunden legt sie ihre Ohren flach an und prustet dem vermeintlichen Mundräuber eine feine Dusche Speichel mitten ins Gesicht. Ein Warnschuss, den Samanta augenblicklich versteht.

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Die Besucher, die den Koglhof zum Lamatrekking besuchen, müssen soetwas eher nicht befürchten. Dafür sorgt Ruth Oberhofers Ausbildung. Auch wenn sie eine enge Beziehung zu den Tieren pflegt, verhätschelt sie die Lamas nicht und sorgt von Anfang an dafür, dass die sie Menschen grundsätzlich als ranghöher betrachten. Das ist äußerst wichtig, möchte man vermeiden, dass einem eines Tages einhundert Kilogramm Lama auf der Nase herumtanzen.

Die Tiere kennenlernen

Gerne gibt Ruth Oberhofer ihre Erfahrungen mit den Tieren an die Besucher weiter. Zu Beginn des Lamatrekkings sucht sich zunächst jeder Teilnehmer „sein“ Lama aus. Ich werde jedoch den Eindruck nicht los, dass sich eher die Lamas „ihre“ Besucher auswählen. Danach werden die Tiere gestriegelt. Das ist nicht unbedingt vor jeder Tour notwendig. Den Gästen gibt es aber die Chance, die ungewohnten Vierbeiner besser kennenzulernen und Unsicherheiten abzubauen. So geht das Führen des Lamas bei der anschließenden Wanderung viel leichter von der Hand.

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Später dann, wenn die Lamas nach der Trekkingtour zurück im Stall sind, lädt Ruth Oberhofer in die Wohnküche des über 400 Jahre alten Bauernhauses ein. Bei Kaffee und Kuchen können die Gäste Fragen stellen. Fünfzehn Jahre ist es jetzt her, dass Ruth und Sepp Oberhofer ihre Lamazucht begannen. Sepp Oberhofer, erfolgreicher Musiker des Original Alpenland Quintett, kehrte damals mit 21 Goldenen Schallplatten im Gepäck auf den elterlichen Hof zurück. Neues Leben sollte in die Landwirtschaft einziehen, wieder Tiere am Hof sein. Die Oberhofers entschieden sich für Lamas.

Exoten in der Landwirtschaft

Unter den ungläubigen Blicken der Nachbarn, überwiegend traditionelle Milch- und Fleischbauern, zogen die ersten drei Exoten am Koglhof ein. Was viele für eine zum Scheitern verurteilte Idee hielten, ist heute eine überaus erfolgreiche und bekannte Lamazucht. Jeden Sommer werfen die Stuten vom Koglhof um die sechs Jungtiere, die verkauft werden. Allerdings nur an ausgewählte Kunden. „Der Tierkauf ist für mich eine Herzensangelegenheit“, erklärt Ruth Oberhofer. „Ich möchte wissen, dass es meinen Tieren auch im neuen Heim gut geht.“ Da die Oberhofers glücklicher Weise nicht auf den Gewinn aus dem Zuchtverkauf angewiesen sind, kann sie die zukünftigen Besitzer gewissenhaft auswählen.

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Für jeden käuflich sind dagegen die beliebten Bettdecken, die aus der Wolle der Koglhof-Lamas gefertigt werden. Und wer ausgiebig Zeit mit den Tieren verbringen möchte, der kann sich in einem der Gästeappartements auf dem Koglhof einmieten. Zusätzlich bieten die Oberhofers den Besuchern der Region Wilder Kaiser mehrmals pro Woche die Möglichkeit zum Lamatrekking.

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Lamatrekking im Schnee

Während die Route in den Wintermonaten durch den dick verschneiten Wald führt, geht es im Sommer hinauf auf die Hütte. Inzwischen sind die Trekking-Touren so beliebt, dass viele Gäste in der Hochsaison bereits viele Wochen vor Anreise buchen. Doch auch neue Gäste kommen regelmäßig dazu. In den Sommermonaten bietet der Tourismusverein Wilder Kaiser wöchentlich eine Fackelwanderung mit den Lamas vom Koglhof an. Viele Gäste verlieben sich dabei in die ernsthaften und freundlichen Tiere und werden zu Stammkunden, die jedes Jahr wiederkommen.

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Für mich ist es Zeit, Samanta und Janine auf Wiedersehen zu sagen. Noch einmal studiert das Lama mich aufmerksam, bevor es sich würdevoll abwendet und Ruth Oberhofers Sohn Richtung Stall folgt. Was es sich wohl gedacht hat? Ich habe keine Ahnung. Vielleicht werde ich das rausfinden, wenn ich mit meinen eigenen Kindern zum Koglhof zurückkehre. Denn das werde ich auf jeden Fall tun. Nachdem ich sie kennenlernen durfte, möchte ich mehr über die ungewöhnlichen und faszinierenden Tiere lernen. Und ich möchte sie meinen Kindern zeigen. Ich bin mir sicher, sie werden genauso begeistert sein.

Information

  • Der Koglhof liegt an den Hängen des Wilden Kaiser über Ellmau. Trekking-Touren können online oder über die Büros des Tourismusverbands gebucht werden → Info und Buchung
  • Alle weiteren Infos zum Koglhof, der Lamazucht und Übernachtungsmöglichkeiten am Hof findet ihr auf der → Website der Familie Oberhofer.
Claudia Böttcher

Seit die Berlinerin in München lebt, ist sie regelmäßig in den Bergen anzutreffen, sei es auf Ski oder in Wanderschuhen. Aber auch sonst zieht es die Redakteurin in die Welt hinaus. Mit ihren Kindern ist sie häufig rund um dem Globus unterwegs und berichtet davon auf ihrem Blog Fernweh mit Kids. Ob Kambodscha, Indien oder Vietnam ... zwischen ihren exotischen Trips kommt sie immer wieder zum Wilden Kaiser zurück.

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