Was mit einer Urlaubsidee und viel Pioniergeist begann, ist heute eine der beliebtesten Veranstaltungen in Going. Seit 1987 zieht der Handwerkskunstmarkt Gäste aus Nah und Fern in seinen Bann – mit echter Handwerkskunst, regionalem Genuss und gelebter Tradition. In diesem Beitrag blicken wir zurück auf die Anfänge, sprechen mit den Machern der ersten Stunde – und erzählen, wie aus einer Vision ein Stück Goinger Kulturgut wurde.
Im Gespräch mit Toni Pirchl, dem damaligen Vorsitzenden des Tourismusverbands Going, und Josef Adelsberger, der 1987 mit der Organisation des ersten Marktes betraut wurde, werfen wir einen Blick zurück auf ein besonderes Kapitel Goinger Veranstaltungsgeschichte.
Wie kam es zu der Idee, in Going einen Handwerkskunstmarkt zu veranstalten?
Toni Pirchl: Ich war 1987 Vorsitzender des Tourismusverbands Going und suchte stetig nach Inspirationen für Veranstaltungen, für die wir Gäste und Einheimische begeistern könnten. Fündig wurde ich schließlich während eines Spanienurlaubs, bei dem ich mallorquinische Handwerkskunst auf einem Markt in Valldemossa bewundern konnte. Ich war sofort begeistert und wollte etwas Derartiges auch in Going auf die Beine stellen.
Also ging es mit der Idee im Gepäck zurück aus dem Urlaub?
Toni Pirchl: Genau. Zurück daheim in Going gab es nicht nur Zustimmung, sondern auch viele zweifelnde Stimmen, ob ein Handwerkskunstmarkt realisierbar wäre und Anklang finden würde. Aber ich war fest entschlossen und habe sofort Josef mit der Organisation und den Vorbereitungen beauftragt.
Josef, du warst damals erst Anfang 20. Wie sind deine Erinnerungen an diese Zeit?
Josef Adelsberger: Noch bevor ich genau wusste, was da auf mich zukommt, war ich eigentlich schon mittendrin. Toni erzählte mir im März von seiner Idee und bereits im Sommer sollte der Handwerkskunstmarkt stattfinden. Wenig Zeit also. Ich habe mich umgehend auf die Suche nach passenden Handwerken begeben und Treffen mit den Bäuerinnen organisiert, schließlich wollten wir unseren Besucher*Innen auch kulinarisch etwas bieten und Einblicke in unsere Esskultur geben.
War es leicht geeignete Aussteller*Innen und Handwerke zu finden?
Josef Adelsberger: Das Interesse war da, allerdings hatten einige Hemmungen, ihre Kunstart zu zeigen. Hier galt es von meiner Seite aus zu überzeugen und auch zu unterstützen. Ich habe in dieser Zeit viel über den Umgang mit unterschiedlichsten Menschen gelernt. Das hat mich auch für mein weiteres Leben sehr geprägt. Ob Glockenstuhlbau, die Herstellung von Rechenzähnen oder Korbflechten - langsam stellten wir ein buntes Angebot zusammen. Schlussendlich waren beim ersten Handwerkskunstmarkt 50 Aussteller*Innen vertreten. Uns war von Anfang an wichtig, die Wertigkeit des Handwerks und die Tradition zu vermitteln. Diesen Ansatz haben Gäste und Einheimische honoriert und genau das machte uns erfolgreich.
Wie war er denn dann, der erste Handwerkskunstmarkt im August 1987?
Josef Adelsberger: Ein paar schlaflose Nächte hatte ich in den Wochen vorher schon hinter mir. Die Aufregung war groß. Am Tag selbst war ich erstmal erleichtert, dass es auch der Wettergott gut mit uns meinte und der Aufbau gut funktioniert hatte. Dann ging es auch schon los: Jede/r BesucherIn bekam nach der Bezahlung von 20 Schilling ein Holzscheit, welche von den Goinger Schützen verteilt wurden. Ich wollte bewusst keine klassischen Eintrittstickets, sondern den Besucher*Innen etwas Wertiges geben, das auch sofort für Gesprächsstoff sorgte.
Josef Adelsberger: Die Holzscheite wurden später aufgeschichtet und damit ein großes Feuer entfacht. Wir haben die Besucher*Innen also interaktiv eingebunden und teilnehmen lassen. 2000 Stück hatten wir vorbereitet. Schon um 19 Uhr waren diese aufgebraucht, doch der Besucherstrom riss nicht ab. Ein voller Erfolg!
Toni Pirchl: Auch ich erinnere mich noch gut an den Veranstaltungstag. Ich kam nach einem Termin zurück nach Going und konnte meinen Augen kaum glauben. Mit dieser Anzahl an geparkten Autos, die vom Stangl bis hin zur Blattlbrücke reichte, hatte ich nicht gerechnet. Natürlich bin ich sofort eine Runde über den Handwerkskunstmarkt geschlendert, habe mir ein Bild gemacht und mich umgehört, wie er denn so ankommt. Da wusste ich, wir haben es geschafft!
Was macht den Handwerkskunstmarkt eurer Meinung nach so besonders?
Josef Adelsberger: Die Idee war einfach so genial: diese Symbiose aus Handwerk, traditionellen Schmankerln und geschichtlichem Hintergrund in Kombination mit der Zusammenarbeit mit Bauern und Landjugend. Diese Veranstaltung gemeinsam auf die Beine zu stellen und auch in den Folgejahren zu sehen, wie die Entwicklung voranschreitet – das ist schon etwas, worauf ich noch heute stolz bin.
Toni Pirchl: Die Idee und das Konzept haben überzeugt. Noch dazu haben wir mit dem Goinger Marktplatz den perfekten Veranstaltungsort, der dem Ganzen ein besonderes und authentisches Ambiente verleiht. In den darauffolgenden Jahren haben viele Gemeinden versucht, unseren Handwerkskunstmarkt zu kopieren. Da wir unser Hauptaugenmerk aber wirklich auf die Regionalität gelegt haben, konnten wir uns immer abheben.
35 Jahr-Jubiläum: Habt ihr -als politischer Vater und als Organisator des Handwerkskunstmarkts - Wünsche, was dessen Zukunft angeht?
Toni Pirchl: Dass er sich seine Authentizität möglichst bewahrt und Tradition und Handwerk im Mittelpunkt stehen und möglichst unverfälscht weitergetragen werden.
Josef Adelsberger: Ich würde mir wünschen, dass es gelingt auch jüngere Generationen für die Handwerke und deren Wertigkeit zu begeistern. Sowohl bei den Gästen als auch bei Einheimischen. Und, dass die Veranstaltung allen Beteiligten weiterhin so viel Freude macht, wie uns damals!
Infos zum diesjährigen Jubiläum:
Der Goinger Handwerkskunstmarkt findet mittlerweile an fünf Freitagen von Juni bis September statt. Durchschnittlich 60 Aussteller und Handwerker zeigen dabei ihre Kunstfertigkeiten und Traditionen. Und auch Feinschmecker kommen auf ihre Kosten und können aus einer Reihe an regionalen Schmankerln auswählen. Für die perfekte Stimmung sorgen unterschiedliche Musikgruppen und junge Tänzer*Innen und Schuhplattler*Innen. 2025 feiert der beliebte Handwerkskunstmarkt sein 35-Jahr-Jubiläum. Aus diesem Anlass findet am 3. Oktober ein Jubiläums-Markt statt.
Gebürtig aus Going und heute Presseverantwortliche beim Tourismusverband Wilder Kaiser, hat sie Journalistik, Spanisch und Portugiesisch studiert – geblieben ist sie trotzdem in ihrer Heimat, wo sie zwischen Bergen, Seen und Geschichten genau das findet, was sie wirklich begeistert. Mit einem feinen Gespür für besondere Menschen und Momente entdeckt sie immer wieder neue Facetten der Region – und erzählt sie am liebsten in Worten, die hängen bleiben.
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